Wenn der Weg das Ziel ist

Wer sich für Pferde und Reiten in seinem Leben entscheidet, entscheidet sich auch immer für eine Reise zu sich selbst. Kauf dir ein Pferd und die Sitzung kann beginnen. Du wirst dein Ego in seinen schwärzesten Ausprägungen und deine größten Ängste kennenlernen. Du wirst an hinderliche Glaubenssätze geraten und an manchen Tagen alles an diesem „Hobby“ in Frage stellen. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Und das ist gut so. Das ist wertvoll. Das schafft die Möglichkeit als Persönlichkeit, als Mensch, an der Herausforderung zu wachsen.

In der Reitpädagogik mit Kindern ist es völlig klar, dass der Umgang mit einem Pferd neben dem sportlichen Aspekt auch viele persönlichkeitsbildende Komponenten hat, die man nutzen möchte: Vertrauen zu lernen und das geschenkte Vertrauen des Pferdes nicht zu enttäuschen. Durchsetzungsfähigkeit, Beständigkeit und Geduld im Handeln, gemeinsam realistische Ziele erreichen, Ängste überwinden, im Team arbeiten, auch einmal zurückzustecken und vieles mehr – warum soll das nicht auch für jeden erwachsenen Reiter gelten und großen Wert haben?

Zu oft verlieren wir uns im großen Endbild. Der Turniererfolg. Die eine schwierige Lektion reiten. Und vergessen ganz darauf, uns auch über all die kleinen Teilerfolge am Weg dorthin zu freuen. Dieser Weg, diese Zeit, ist unsere Lebenszeit! Das ist dein und mein Leben. Wie schade wäre es, das gering zu schätzen oder gar abzuwerten und erst wirklich glücklich in diesem Hobby zu werden, wenn das „große Endziel“ erreicht ist?
Ich bin mir sicher, an jedem Tag, den du bei deinem Pferd verbringst, lernt ihr etwas und habt einen kleinen Sieg. Vielleicht ist es keine neue Lektion aber es ist zum Beispiel am Putzplatz stillstehen. Oder an dem gruseligen Traktor das gefühlt dreihundertste Mal vorbeigehen, diesmal aber ohne ängstlichen Sidestep. Vielleicht funktioniert eine Übung gar nicht und auch darin liegt neben Frust, eine Erkenntnis, eine Chance!

Wenn du das Gefühl hast, nichts klappt, alles ist scheisse und überhaupt wäre es doch besser gewesen, du hättest stattdessen zu golfen begonnen, dann atme durch. Ändere deinen Fokus vom zukünftigen großen Ziel und den damit verbundenen Erwartungen (z.B. der Turnierstart und das Schleiferl) zum Weg, zu deiner Reise und deinen bereits errungenen Erfolgen. Mach dir bewusst, was heute gut war und was vor allem bis heute schon alles geklappt hat, das vor einigen Monaten vielleicht noch undenkbar war. 

Fortschritt ist niemals linear. Schon gar nicht wenn zwei Lebewesen miteinander den Einklang finden und zusammen neue Wege gehen. Die Kunst besteht darin, geduldig zu sein und den Prozess zu schätzen. Der Weg ist das Ziel, genieße die Reise und sei nicht zu hart zu dir. Und falls es dir noch niemand heute gesagt hat: Ich glaube an dich, you got this.