Wie alles begann…
Ich habe eine neue Freundin. Sie ist 28, 29, 30 oder 31 Jahre alt. Ich weiß es nicht genau. Sie ist eine feine Lady, eine die weiß was sie will im Leben und was nicht. Eine die es dir mit einem erbosten Quietscher sagen wird, wenn du sie nervst oder zu weit gehst. Aber sie ist immer bereit für Kompromisse, sie ist fair. Und sie redet gerne, wenn man zuhört und sich Zeit nimmt. Am liebsten bei einem großen Kübel Heucobs, so ein Essen kann schon mal eine Stunde oder mehr mit ihr dauern. Diese feine Dame ist eine alte Stute namens Carmen.
Ich kenne sie eigentlich schon seit ich vor 2 Jahren eingezogen bin in unseren Stall und hatte doch mit ihr nie etwas zu tun. Und auf einmal war sie da. In einem Moment, in dem ich mit meinem eigenen Pferd gerade große Sorgen hatte und ich mich absolut hilflos und unfähig fühlte etwas an der Situation zu verändern, war sie plötzlich präsent in ihrer Energie.
„Kannst du mich bürsten? Das Winterfell ist so schwer…“ hat sie gefragt. „Klar“ habe ich geantwortet und sie mitten im Offenstall gebürstet. Und sie hat ganz still gehalten, die Augen geschlossen und mir das Gefühl gegeben, der allerbeste Pferdemensch der ganzen Welt zu sein. In einem Moment von absolutem Chaos, war sie die Ruhe selbst und hat mir neuen Mut, Zuversicht und ein Stück normale Pferdewelt geschenkt. Hat mich zurück in die Handlungsfähigkeit geführt und mir einfach ein paar bewältigbare Aufgaben gestellt. Aus Bürsten wurde Füttern, ein wenig Körperarbeit und Clickertraining und wenn ich heute komme, blubbert sie mich an. Vielleicht zur Begrüßung, vielleicht aber auch um nach einem Kübel Heucobs zu fragen, das lass ich offen.
Meinem Pferd geht es mittlerweile besser, aber Carmen ist geblieben. Die Menschen um uns sagen: „Die hat ein Glück, dass du dich so kümmerst.“ Aber eigentlich hat sie sich um mich gekümmert, als ich es notwendig hatte. So sind Pferde und dafür lieben wir sie. Danke Carmen!
Juni 2021